Zu spät geboren - Leben und Humor von Heinz Erhardt
07. Juni 2016
Erhardt selbst beschreibt seine Kindheit folgendermaßen: „Es war am 20. Februar, im Winter. Das Thermometer zeigte elf Grad minus und die Uhr elf Uhr vormittags, als vor unserem Haus das Hauptwasserrohr platzte. Im Nu war die Straße überschwemmt und im selben Nu gefroren. Sämtliche benachbarte Kinder beiderlei Geschlechts ergriffen nicht nur die Gelegenheit, sondern auch die Schlittschuhe, um mit Hilfe derselben dem Eislauf zu frönen und sich zu tummeln. Ich selbst konnte leider an diesem fröhlichen Treiben nicht teilnehmen, weil ich noch gar nicht geboren war. Dieses Ereignis fand erst gegen Abend statt - und da war die Eisbahn längst gestreut und unbrauchbar geworden. Ich kam eben schon früh immer zu spät, und dieses ewige Zuspätkommen hielt an und brachte mir manch Unannehmlichkeiten. War es da ein Wunder, dass ich begann, ein wenig dem Schicksal nachzuhelfen, und Dinge tat, die man eigentlich gar nicht hätte tun dürfen?... Eltern bestehen in der Regel aus zwei Personen. Es sollen allerdings auch Fälle bekannt geworden sein, wo der Vater unbekannt ist. Nun, ich konnte mich nicht beklagen. Ich hatte so nach und nach drei Väter bekommen und ebenso viele Mütter. Diese Vielzahl an Eltern ist darauf zurückzuführen, dass sowohl mein Vater als auch meine Mutter jeweils dreimal den Bund fürs Leben schlossen. Da nun aber nicht nur sie, sondern auch die Angetrauten immer wieder heirateten, so besaß ich in den zwanziger Jahren nicht weniger als einundzwanzig lebende Großelternteile, nämlich: 11 Großväter und 10 Großmütter. Alle Väter- und Mütter, aber auch deren Eltern kannten sich untereinander, vertrugen sich glänzend und verwöhnten mich - und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Man reichte mich ständig herum und manchmal reichte es mir.“
Generationen haben Erhardts Bücher gelesen, haben über seine Gedichte gelacht, haben ihn auf der Bühne erlebt oder sind in seine Filme gegangen. Das besondere an Erhardt sind seine Wortspielereien und sein immer wieder verblüffender Sprachgebrauch. Auch wenn sich hinter dem harmlosen Gewand vieler Gedichte gelegentlich eine gehörige Portion schwarzer Humor versteckt, so bezeichnet Wolfgang Näser Erhardts Humor doch als „zutiefst menschlich“ und „niemals beleidigend“.